Bis auf die Knochen by Jefferson Bass

Bis auf die Knochen by Jefferson Bass

Autor:Jefferson Bass [Bass, Jefferson]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-02-11T05:00:00+00:00


23

Drei Tage waren vergangen, seit Jess und ich uns getrennt hatten. Drei Tage ohne Anruf, ohne E-Mail, ohne SMS.

Die Tore zur Body Farm standen leicht offen, was wahrscheinlich bedeutete, dass ein Doktorand drinnen war, um nach einem Forschungsobjekt zu schauen. Ich parkte direkt neben dem Tor – die Body Farm war der einzige Ort, der mir einfiel, wo der nächstgelegene Parkplatz tatsächlich der am wenigsten begehrenswert war, zumindest hinsichtlich der Atmosphäre – und schwang das Maschendrahttor nach außen. Als ich auf das innere Holztor zuging, kam mir irgendetwas plötzlich ganz seltsam vor, und ich ging zurück auf den Parkplatz und sah mich kurz dort um. Mein Auto war, wie ich sah, das einzige Fahrzeug, das irgendwo in der Nähe des Tors stand, und das verwirrte mich. Es war unwahrscheinlich, dass ein Student zu Fuß hergekommen war: Die Forschungseinrichtung lag auf der Straße knapp fünf Kilometer vom Anthropologischen Institut entfernt, und die Straße war die einzige Möglichkeit, von hier nach da zu kommen, es sei denn, man wollte durch den Tennessee River schwimmen und damit die Entfernung auf anderthalb Kilometer verringern. Vom Leichenschauhaus oder vom rechtsmedizinischen Institut konnte jemand zu Fuß hergekommen sein, doch fast ein Kilometer Zufahrtsstraße und Parkplätze trennten die Einrichtung vom Universitätskrankenhaus, und ich hatte noch nie erlebt, dass ein Student das auf sich genommen hatte.

Als ich ans Tor trat, fiel mein Blick auf einen Notizzettel, der zwischen zwei Brettern steckte. »Bill – ich bin drinnen. Komm rein. Jess.« Ich blickte noch einmal über den Parkplatz, jetzt in einem weiteren Radius, doch von einem feuerwehrroten Porsche war weit und breit keine Spur.

Ich trat auf die Hauptlichtung und erwartete halb, Jess mit einem Doktoranden plaudern zu sehen, den sie breitgeschlagen hatte, sie reinzulassen. Die Lichtung war leer.

»Hallo?«, rief ich. »Jess?« Keine Antwort. Ich spazierte ein Stück den Hügel hinunter an den Überresten eines alten Schotterwegs entlang, wo wir im Allgemeinen die Leichen ablegten, die nur zum Skelettieren hergebracht wurden. Jess hatte uns in den vergangenen zwei Jahren gut ein Dutzend oder mehr Leichen von Chattanooga raufgeschickt. Sie baute dort unten für das Büro des Medical Examiners eine Skelettsammlung auf, nicht um mit unserer zu konkurrieren, sondern nur zu Referenzzwecken und als Unterrichtsmaterial. Ich erinnerte mich vage, dass wir im Augenblick zwei oder drei Leichen aus Chattanooga zum Skelettieren dahatten, also war es möglich, dass sie schauen wollte, wie weit sie waren.

Die zwei Leichen aus Chattanooga waren da, doch Jess nicht. Eine bestand bis auf ein paar Flecken mumifizierter Haut über dem Brustkorb nur noch aus den bloßen Knochen; die andere war bereits über die Stadien der Aufblähung und aktiven Zersetzung hinaus und jetzt im trockenen Stadium, also konnte sie bald vollends gereinigt und zurückgeschickt werden. Die sauberere der beiden Leichen war, wie mir auffiel, obduziert worden; das – zweifellos von Jess – sorgfältig aufgeschnittene Schädeldach lag auf dem Boden neben dem Schädel und erinnerte ein wenig an einen ungewöhnlich glatten Schildkrötenpanzer. Dem Vorspringen des Augenbrauenbogens und der Glätte der Schädelnähte nach zu schließen, deren sich schlängelnde Fugen sich fast ganz gefüllt hatten und verschwunden waren, war er ein älterer Mann.



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